01.05.2025. Österreichs Billardsport trauert um einen ihrer nachhaltigsten Gestalter und Mentoren. Carambol-Billard-Doyen Heinrich Weingartner ist am vergangenen Wochenende in Wien im Alter von 85 Jahren verstorben.
Weingartner prägte über Jahrzehnte nicht nur als Aktiver, sondern auch als Verbandsfunktionär und Geschäftsmann die Entwicklungen im Carambol-Billard in Österreich und über die Grenzen hinweg.
Er wandte sich schon in jungen Jahren dem Billardspiel zu, da seine Eltern Heinrich und Rosa im Café Niebauer in Wien-Leopoldstadt arbeiteten, wo sich auch Billardtische befanden. Weingartner machte oft im Kaffeehaus seine Schulaufgaben und suchte sich immer einen Tisch direkt vor den Billards, um die Spieler zu beobachten.
Ab dem Alter von 14 Jahren nahm ihn sein Vater regelmäßig in verschiedene Billardkaffeehäuser mit. 1954 folgte der Eintritt in den Billardclub Wiedner Billardfreunde im Café Kolschitzky. Josef Pipal, ein Berufsspieler und Trainer des Clubs, erkannte das Talent Weingartners und trainierte ihn. 1956 folgte der Wechsel zum Billard Sportklub Union (BSK Union) in Wien-Neubau, mit dessen Dreiband-Mannschaft Weingartner 1965 den Coupe d’Europe gewann.
Insgesamt errang Weingartner 15 österreichische Einzel-Staatsmeistertitel. Er war darüber hinaus ab 1960 in verschiedenen Verbandsfunktionen, unter anderem 2005 kurzzeitig als Präsident sowie als Pressereferent und Auslandssekretär tätig.
Im Lauf seines Lebens gründete er nicht weniger als 20 Billardclubs, den ersten bereits 1957 im Alter von nur 17 Jahren. Die Wiener Billard Assoziation zählt heute nach wie vor zu den größten Carambol-Vereinen Europas und hat über die Jahre zahlreiche international konkurrenzfähige Spieler hervorgebracht.
Seine kaufmännische Ausbildung half ihm, 1964 einen Fachhandel für Billardprodukte und Spiele aufzuziehen, zu dieser Zeit den einzigen seiner Art in Österreich. 1966 folgte die Gründung eines eigenen Verlags, in dem verschiedene Druckwerke erschienen, darunter die Fachzeitschriften „Carambol“ und „billard“, wovon Letztere in der Zeit von 1988 bis 2019 zehnmal pro Jahr herausgegeben wurde und als offizielles Verbandsorgan diente.
1969 gründete Weingartner sein eigenes Billardcafé in der Nähe des Wiener Westbahnhofs, das noch heute von seiner Frau Maria und seinem Sohn Heinrich betrieben wird. 1978 folgte die Erweiterung seines Geschäfts um eine Billardtisch-Manufaktur, ebenfalls national die einzige ihrer Art.
1980 wurde unter Federführung von Weingartner und weiteren Mitstreitern der damalige Österreichische Amateur Billard Verband (ÖABV, später in BSVÖ – Billard Sportverband Österreich umbenannt) als 45. ordentliches Mitglied in die Öster-reichische Bundes-Sportorganisation aufgenommen. Billard wurde damit in Österreich offiziell als Sport anerkannt und erhält seit damals Förderungen der öffentlichen Hand.
1992 wurde von ihm ein Billardmuseum ins Leben gerufen, dessen Sammlung neben antiken Billardtischen eine Vielzahl von Einzelstücken, historischen Bildern, Postern, Fotos von Spielern und auch Bücher umfasst, die bis ins Jahr 1654 zurückgehen. Dem Museum ist ein Archiv über Billardgeschichte angegliedert, das Weingartner zusammen mit dem deutschen Archivar Dieter Haase geführt hat. Im selben Haus ist auch eine Billardschule untergebracht, die von ihm initiiert wurde und die vom dort ansässigen Verein BC West-Wien betreut wird.
„Mit großer Bestürzung haben wir vom Tod Heinrich Weingartners erfahren. Im Namen des BSVÖ darf ich der Familie und allen Verwandten und Bekannten mein herzliches Beileid aussprechen. Der Billard Sportverband Österreich verliert mit Heinrich Weingartner die wohl bedeutendste Persönlichkeit der letzten Jahrzehnte, sowohl als aktiver Spieler, aber auch als Funktionär, Betreiber des Billardmuseums, Inhaber des Geschäfts am Gürtel, seines Clublokals und seines Kaffeehauses“, erklärte BSVÖ-Präsident Andreas Felser.
„Der natürliche Lauf der Dinge ist, dass eben immer wieder verdiente langjährige Mitglieder versterben. Aber der Tod einer so prägenden Gründerfigur wie Heinrich Weingartner ist schon ein besonderer Einschnitt in einen Verein. Die allermeisten Mitglieder haben diesen Mann über ihre gesamte, teilweise jahrzehntelange Vereinszugehörigkeit als großen Spieler, Obmann, Verbandsfunktionär, Trainer und Förderer schätzen und lieben gelernt. Ich selbst weiß, dass ich ihn nicht nur 43 Jahre kannte, sondern ich war mit ihm befreundet, und er hat mein Billard-Leben und damit auch Teile meines Lebens an sich beeinflusst, und da ist nichts dabei, was ich missen möchte“, sagte BSVÖ-Ehrenpräsident und Obmann der Wiener Billard Assoziation, Herbert Thür.
„Ich habe mir mein erstes Queue in seinem Geschäft gekauft und bin dann in einer Jugendtrainingsgruppe in der Wiener Billard Assoziation gelandet, wo ich ihn kennengelernt habe. Er hat mir sofort einige Dinge über das Spiel gezeigt und damit meine Leidenschaft für das Spiel weiter entfacht. Dass dann daraus diese erfolgreiche Billardkarriere wird, habe ich sicher auch den von ihm vermittelten Grundlagen und auch dem durch ihn ermöglichten Trainingsumfeld zu verdanken. Ich habe ihn immer als Mentor und Unterstützer erlebt. Sein einzigartiger, humorvoller Sarkasmus wird mir, und ich glaube auch vielen anderen, fehlen“, sagte Arnim Kahofer, aktuell regierender Europameister in der Carambol-Disziplin Einband.
Das Begräbnis findet am Mittwoch, dem 14. Mai, um 14 Uhr auf dem Wiener Zentralfriedhof statt.
Weitere Informationen:
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Weingartner
Wiener Billard Assoziation: https://www.wba.at
Bildergalerien © Markus Hofstätter (August 2009)
Kaffeehaus: https://events.markus-hofstaetter.at/hofstaetter/weingartner/Cafe/index.html
Billardmuseum: https://events.markus-hofstaetter.at/hofstaetter/weingartner/Museum/index.html
Fachgeschäft: https://events.markus-hofstaetter.at/hofstaetter/weingartner/Shop/index.html